Opel Rekord 1963

Ein Bund fürs Leben

Bertha Augsberger erinnert sich, als wäre es gestern gewesen. Es war 1963, im November. Josef, damals ihr neuer Freund, sechs oder acht Wochen erst kannten sie sich, holte die 23-Jährige zuhause ab. Auf dem Hof ihrer Eltern in Ursulapoppenricht bei Amberg fuhr er vor. In einem neuen Wagen, und was für einem: einer Opel Rekord A-Limousine, zweitürig, in Lapislazuli-Blau. So elegant war sie noch nie zu einem Rendezvous abgeholt worden. „Ich war hin und weg“, erzählt die heute 87-Jährige. „Wo hast du den her?“, fragte sie. Der junge Landwirt, ein Jahr älter als sie, antwortete: „Den hab‘ ich mir verdient. Auf dem Mähdrescher.“

Über 61 Jahre später fährt der nun 88-jährige Josef Augsberger in Rüsselsheim vor, vor dem Opel Classic-Gebäude auf dem Werksgelände. Wieder in seiner Rekord A-Limousine, zweitürig, lapislazuliblau mit royalblauem Dach. Die Hüter der Opel-Geschichte staunen nicht weniger als Bertha damals: „Das ist ja alles noch original“, sagt Classic-Mitarbeiter Jens Cooper. „Dass so etwas überhaupt noch in privater Hand ist…“

„Wo hast du den her?“, fragte sie. – „Verdient. Auf dem Mähdrescher“, sagte er.

– Kennenlernen im November 1963 –

Seit 62 Jahren treu: Josef und Bertha Augsberger mit ihrem Opel Rekord A.
Zeppelin statt Blitz: Schon das Logo macht den Rekord zur Rarität.
Liebevolle Details: Das handgefertigte Wollmänchen baumelt am Rückspiegel.
1963 wie heute: Der Opel glänzt in Lapislazuli-Blau mit royalblauem Dach.
Ein Stück Zuhause: Auf der Rückbank eine selbst gehäkelte Decke und ein Kissen.
Urkunde für 62 Jahre Erstbesitz: Opel Classic ehrt das einzigartige Trio.

In der Tat: Josef Augsberger blieb seinem Rekord A über sechs Jahrzehnte so treu wie seiner Bertha. Geheiratet haben sie im Oktober 1967, und auf Hochzeitsreise ging es zu dritt: Josef, Bertha und der Opel. „Wir sind nach Österreich gefahren, wollten über den damals neu ausgebauten Gerlospass“, erinnert sich die Braut. „Der war aber gesperrt, wegen gewaltiger Schneefälle. Also haben wir umgedreht – und unser Opel hat uns wieder sicher nach Hause gebracht.“

Zwei mal schon auf null

Heute folgt das Ehepaar gern Einladungen zu Oldtimer-Ausfahrten und brachte schon etliche Trophäen mit heim. Josef nutzt seinen Rekord A aber weiterhin im Alltag. Warum nicht? „Er hat mich nie im Stich gelassen.“ Zweimal schon sprangen alle sechs Stellen der Tachoanzeige wieder auf null. Und wenn es nach Familie Augsberger geht, wird er dies ein drittes Mal tun.

„Der war nicht einmal in einer Werkstatt. Ich hab immer alles selber gemacht.“

– Josef Augsberger – 

Unfälle gab es in all den Jahren ebenso wenig wie Ausfälle. Jens Cooper wundert das nicht, als er sieht, wie Josef Augsberger den Wagen über den Hof manövriert: „Der Mann hat sein Fahrzeug absolut im Griff.“ Und nicht nur hinter dem Steuer. „Der war nicht einmal in einer Werkstatt“, erzählt er. „Ich hab immer alles selber gemacht.“ Und das tadellos. 31 TÜV-Stempel finden sich mittlerweile in den Papieren, die selbstverständlich ebenfalls noch alle original sind. „Und es gab nicht einmal eine Beanstandung.“ Die 1,5-Liter-Maschine mit 55 PS schnurrt und schnurrt, und schafft vermutlich immer noch 134 km/h Spitze – man muss es ja nicht darauf ankommen lassen.

Opel Classic-Chef Leif Rohwedder begrüßt den stolzen Erstbesitzer am Stammsitz.
Im Rückspiegel aus Chrom spiegelt sich noch immer Eleganz.
Einer der Letzten: Ende 1963 wird aus dem zuletzt sehr abstrakten Zeppelin ein Blitz.
Der Motorraum – so original wie am Tag der Auslieferung.
Bandanzeige statt Nadel – Opel setzte in den 60ern auf Moderne.
Das erste Kennzeichen hat Josef Augsberger aufbewahrt.

Bei allen Wartungen, Inspektionen und Ausbesserungen achtete er akribisch darauf, dass jedes Teil so blieb, wie er es am 13. November 1963 in Empfang nahm. Die Classic-Experten entdecken bei ihrer Begutachtung immer wieder faszinierende Details. Das Logo auf der Kühlerhaube etwa: kein Blitz, sondern ein Zeppelin. „Das wurde just in den Werksferien 1963 umgestellt“, erklärt Opel-Classic-Chef Leif Rohwedder. „Dieser Opel muss einer der letzten seines Baujahrs sein, die noch das alte Logo tragen. Schon das macht ihn zur Rarität.“

Auch das Kennzeichen ist besonders. „AM AY 237“ trägt inzwischen ein „H“ für historisch, ist aber sonst noch immer das gleiche wie am Tag der Erstzulassung. Zwar wird das Kürzel „AM“ heute nur noch in der Stadt Amberg vergeben. In Ursulapoppenricht, das zum Landkreis Amberg-Sulzbach gehört, ist längst „AS“ gebräuchlich. Doch auf der Zulassungsstelle wollte niemand Josef Augsberger den Wunsch abschlagen, alles so original wie möglich zu erhalten.

„Mir ist erst heute klar geworden, wie besonders dieser Opel ist.“

– Norbert Augsberger, Sohn von Josef und Bertha – 

Zum Beweis, dass er der Erstbesitzer ist, hat der Josef Augsberger Fahrzeugschein und – brief mitgebracht.
Keine Werkstatt, keine Panne: Der inzwischen 88-Jährige hat seinen Rekord A voll im Griff.
Die Kollegen von Opel Classic und die Familie Augsberger erkunden die Details.
Hinweise zum Reifendruck: Der Aufkleber findet sich an der Innenseite der Fahrertür.
Der Rekord A markierte den Übergang zu einer moderneren Opel-Formensprache.

Hilfe brauchte er selten. Einmal suchte er einen passenden Auspufftopf und wandte sich an den Motorsportexperten, Opel-Händler und Opel-Freund Alois Drexler im nahen Wackersdorf. Der konnte helfen, lernte Josef und seinen Rekord kennen – und war ebenso hingerissen wie Bertha beim ersten Date. „Einfach phänomenal. Der Josef wartet auch seine Landmaschinen aus den fünfziger Jahren noch selbst und fährt mit ihnen aufs Feld. Ihn zu besuchen ist, als beträte man eine Zeitkapsel.“ Alois Drexler knüpfte auch die Kontakte zu Leif Rohwedder und Opel Classic. Dort bereitete man den drei Unzertrennlichen einen würdigen Empfang.

Ein Opel, der zur Familie gehört

Zum Schluss überreichte der Classic-Chef dem Ehepaar eine Urkunde, die sie zum „62-jährigen Erstbesitz“ ihres Rekord A beglückwünscht. Ein Moment, der auch Norbert Augsberger beeindruckte, einen der beiden Söhne, die inzwischen selbst zwei erwachsene Enkel haben. „Ehrlich gesagt ist mir durch euch erst klar geworden, wie besonders dieser Opel ist“, gesteht er. „Für mich hat er immer ganz selbstverständlich zu meinen Eltern gehört.“


September 2025

Text: Eric Scherer, Fotos: Katrin Denkewitz