Trainee Larissa Wissmann-Gräßer will be the first woman ever to join the plant fire brigade in Rüsselsheim.

Pionierin auf
der 
Werkwache

Mit Schutzanzug, Helm und Atemgerät im Kampf gegen Rauch und Flammen? „Dieses Bild haben viele im Kopf, wenn es um die Feuerwehr geht“, sagt Larissa Wissmann-Gräßer, „doch die Aufgaben sind viel abwechslungsreicher.“ Sie hat sich für den Beruf entschieden, nicht weil sie sich als Heldin fühlen möchte, sondern weil sie Verantwortung übernehmen möchte – „für Menschen, deren Sicherheit und die Umwelt“. Die 19-Jährige hat am 1. September ihre Ausbildung zur Werkfeuerwehrfrau bei Opel begonnen. Und nicht nur der Ausbildungsberuf ist neu im Unternehmen. Sie ist die erste Frau überhaupt, die auf der Werkwache in Rüsselsheim ihren Dienst antritt.

„Ich möchte Verantwortung übernehmen für Menschen und deren Sicherheit.

–Larissa Wissmann-Gräßer –
Auszubildende

Vorbild sein

„Langsam, aber sicher werden Frauen im Brandschutzwesen sichtbarer“, zeigt sie sich überzeugt, besonders bei den Freiwilligen Feuerwehren. Als sie im vergangenen April in ihrer thüringischen Heimat offiziell in die Einsatzabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Gotha-Uelleben aufgenommen wurde, wurden neben ihr noch drei weitere Kameradinnen willkommen geheißen. Bei den Berufsfeuerwehren aber sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. Unter den 42.000 hauptberuflichen Feuerwehrkräften, die es in Deutschland gibt, sind gerade mal 550 Frauen. Umso mehr freut sich Larissa Wissmann-Gräßer, dass sie bei Opel ein Vorbild sein kann. Denn: „Frauen sind ebenso gute Brandschützer. Klar, man muss körperlich fit sein. Entscheidend aber ist, dass man einen kühlen Kopf bewahrt und Entscheidungen unter Stress treffen kann“, sagt sie.

Die neuen Auszubildenden (in Schutzausrüstung, von links): Felix Windhagen, Larissa Wissmann-Gräßer, Robin Zimmermann und Pascal Charisse. Okay Kocak, Leiter Werksicherheit und Leiter Werkfeuerwehr (Mitte links) sowie Mohamed Ajaoun, stellvertretender Leiter der Rüsselsheimer Werkfeuerwehr, freuen sich über die angehenden Kollegen.

1.000 Einsätze im Jahr

110 Jahre ist es her, dass bei Opel eine Werkfeuerwehr gegründet wurde. Es war eine Konsequenz aus dem verheerenden Brand, der in der Nacht vom 19. auf den 20. August 1911 in einem Gebäudeteil des ursprünglichen Opelwerks ausgebrochen war und der große Teile der Nähmaschinenproduktion zerstörte. Heute sind 80 Werkfeuerwehrkräfte für den Brand- und Gefahrenschutz, aber auch die Sicherheit der Mitarbeiter und den Schutz der Umwelt in Rüsselsheim im Einsatz. Im Normalbetrieb absolvieren die Mitarbeiter jedes Jahr rund 1.000 Einsätze. 2022 bildet Opel weitere Feuerwehrmänner – und frauen aus. Bewerbungen sind ab sofort möglich.

Die Infrastruktur für das Zusammenarbeiten zweier Geschlechter unter einem Dach ist bei der Werkfeuerwehr am Opel-Stammsitz schon seit vielen Jahren gegeben. „Als 2005 dieses Gebäude für uns gebaut wurde, haben wir eine Damen-Umkleide und getrennte sanitäre Anlagen bereits vorgesehen“, erzählt Okay Kocak, Leiter der Rüsselsheimer Werkfeuerwehr. Auch wenn der Job danach erstmal reine Männersache blieb. Überhaupt war unter den Werkfeuerwehrleuten des Unternehmens in den vergangenen Jahren nur wenig personelle Fluktuation zu verzeichnen.


Berufsbild existiert seit 2009

Das jedoch wird sich in spätestens drei Jahren ändern – altersbedingt. Einige Kollegen treten ihren Ruhestand an. „Um eigens unseren Nachwuchs auszubilden, bietet Opel ab diesem Jahr erstmals eine Berufsausbildung zum Werkfeuerwehrmann und -frau an“, erklärt Okay Kocak. Die Ausbildung existiert in Deutschland offiziell erst seit 2009. Zuvor waren Brand- und Werkschützer stets aus anderen Ausbildungsberufen rekrutiert und entsprechend weitergebildet worden. Kocak selbst etwa hat vor 28 Jahren als Industriemechaniker bei Opel angefangen.

Mohamed Ajaoun (zweiter von links) macht die Auszubildenden mit der Ausrüstung vertraut.
Die medizinische Notfallversorgung ist ein Grundpfeiler der Ausbildung.

Larissa Wissmann-Gräßer betritt daher nicht nur als Frau Neuland im Unternehmen, auch für die drei männlichen Auszubildenden gilt ab sofort ein Lehrplan, dem in Rüsselsheim so bislang noch niemand gefolgt ist. Die beiden angehenden Feuerwehrmänner Robin Zimmermann und Felix Windhagen haben bereits in Jugendfeuerwehr-Einheiten gedient. Pascal Charisse dagegen hat sich ausführlich im Internet über den Beruf informiert, den er ergreifen will: „Die Kombination aus handwerklicher und feuerwehrspezifischer Ausbildung hat mich überzeugt“, sagt der 19-Jährige.

„Kommendes Jahr bilden wir weitere Feuerwehrkräfte aus.“

– Okay Kocak –
Leiter Werkfeuerwehr

Handwerk als Basis


In den ersten anderthalb Jahren ihrer Ausbildung werden die vier angehenden Brandschützer in der Berufsschule und der Lehrwerkstatt der Berufsausbildung anzutreffen sein – und ganz klassisch das Industrie-, Metall-, Elektro- und Installationshandwerk lernen. Im Anschluss beginnt die feuerwehrspezifische Ausbildung. Zu der nicht nur Brandbekämpfung sowie Rettungs- und Bergungsarbeiten gehören, sondern auch medizinische Notfallversorgung, Gesundheits- und Umweltschutz.


Was nicht unbedingt heißt, dass die Rüsselsheimer Werkfeuerwehr ihren Nachwuchs erst in anderthalb Jahren zu Gesicht bekommen. „Wir werden die Kollegen immer wieder einbeziehen, zum Beispiel bei einer Einweisung in ein neues Batterielöschsystem“, erklärt Mohamed Ajaoun, stellvertretender Leiter der Rüsselsheimer Werkfeuerwehr. Denn auch für die Brandbekämpfer im Unternehmen ist das Zeitalter der Elektromobilität längst angebrochen.

Larissa Wissmann-Gräßer möchte ein Vorbild sein: „Langsam, aber sicher werden Frauen im Brandschutzwesen sichtbarer.“

November 2021

Text: Eric Scherer, Fotos: Andreas Liebschner/Opel