Inklusion entsteht nicht durch Paragraphen, Rampen oder Fördergelder. Sie entsteht durch Hinschauen, Zuhören, Ernstnehmen – und durch den Willen, niemanden zurückzulassen. Bei Opel prägen Thomas Wedde, Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers, und Dietmar-Karl Wagner, die Stimme der schwerbehinderten Beschäftigten, diese Haltung im Alltag. Sie stehen dabei stellvertretend für viele, die sich im Unternehmen für Barrierefreiheit, Gesundheit und Teilhabe einsetzen – in unterschiedlichen Rollen, mit einem gemeinsamen Ziel: Arbeit muss für alle möglich bleiben.
Thomas Wedde verweist zum Einstieg auf eine Zahl: 46 – das Durchschnittsalter der Belegschaft in Rüsselsheim, Tendenz steigend. Mit dem Alter wachsen die Belastungen: körperlich, psychisch, familiär. „Inklusion ist längst kein Randthema mehr – sie ist Zukunftssicherung“, sagt er. Für Dietmar-Karl Wagner, Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung (SBV), zählt neben Haltung vor allem eines: Sichtbarkeit. „Wichtig ist, dass unsere Arbeit präsenter wird.“


Die Schwerbehindertenvertretung sitzt im Gebäude K40 West, 2. Stock sowie im Adam Opel Haus im 5. Stock, Bereich E.
Mail: sbv.ruesselsheim@stellantis.com
„Holt uns dazu, wenn es Probleme gibt“
Am 3. Dezember erinnert der „Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen“ daran, wie nötig diese Sichtbarkeit ist: 7,9 Millionen Menschen in Deutschland haben eine Schwerbehinderung – rund neun Prozent der Bevölkerung. Viele erleben Barrieren, Vorurteile oder Benachteiligung. Selbstbestimmung, Teilhabe und Gleichstellung müssen täglich neu erarbeitet werden – in der Gesellschaft wie im Unternehmen.
Das achtköpfige SBV-Team um Wagner tritt genau dafür ein. Es begleitet Kolleginnen und Kollegen mit sichtbaren und unsichtbaren Einschränkungen, organisiert Arbeitsplatzanpassungen, beantragt Hilfen, nutzt sein Netzwerk – und entschärft Konflikte. Wagner: „Holt uns dazu, wenn es Probleme gibt: Wir unterstützen bei allem, was anliegt – jede Situation ist anders, jede Hilfe individuell.“ Aktuell sind zum Beispiel drei Job-Coaches des Integrationsfachdienstes für die SBV in Rüsselsheim im Einsatz, die Mitarbeitende direkt am Arbeitsplatz begleiten, Belastungen analysieren und helfen, Aufgaben so zu strukturieren, dass sie machbar bleiben.
„Wir unterstützen bei allem, was anliegt – jede Situation ist anders, jede Hilfe individuell.“
– Dietmar-Karl Wagner, Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung –


Auch bei strategischen Projekten ist die Vertretung gefragt. Seit Januar sitzt Wagner im Planungsteam für die neue Unternehmenszentrale, den GrEEn Campus: Gespräche mit Investor und Landeswohlfahrtsverband, Abstimmung mit Architektinnen und Architekten, alles nach DIN 18040 – der Norm für barrierefreies Bauen. Im Mai kam die Zusage: Barrierefreiheit wird in dem Neubau vollständig umgesetzt. „Wenn Inklusion von Beginn an mitgedacht wird, kostet es oftmals auch nichts extra“, betont Wagner.

Mail: thomas.wedde@stellantis.com
„Ein gebrochener Arm heilt in Wochen. Ein Burnout braucht Monate.“
Thomas Wedde arbeitet unterstützt durch den Kollegen Thomas Preis auf Arbeitgeberseite – als Inklusionsbeauftragter. Sein Büro im zweiten Stock des Werksärztlichen Dienstes ist unscheinbar, seine Aufgabe nicht. Er berät, vermittelt, warnt. Er sorgt dafür, dass der Arbeitgeber seine Pflichten erfüllt, bevor Konflikte eskalieren. Besonders deutlich wird seine Rolle bei einem Thema, das Unternehmen überall beschäftigt: „Auswirkungen von psychischen Erkrankungen nehmen zu: Ein gebrochener Arm heilt in Wochen. Ein Burnout braucht Monate.“
Weddes Herzensthema ist daher das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM). Es bündelt Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung. Für 2025/26 stehen Programme bereit, die helfen, bevor es brennt: Seminare zu psychischen Belastungen, „Gesund Führen“, Ernährungsberatung, Diagnostik, Ergonomieprogramme. Das Problem: „Die, die es am dringendsten bräuchten, stecken so tief in der Arbeit, dass sie sich keine Zeit nehmen.“ Sein Appell: „Mehr Selbstachtung.“
„Die, die es am dringendsten bräuchten, stecken so tief in der Arbeit, dass sie sich keine Zeit nehmen.“
– Thomas Wedde, Inklusionsbeauftragter –


Wedde meint damit: rechtzeitig auf sich achten, bevor etwas reißt. Viele Beschäftigte spüren Überlastung – schlafen schlechter, sind erschöpft, verlieren Kraft –, machen aber weiter, aus Pflichtgefühl oder der Sorge, andere zu belasten. Für Wedde ist das der falsche Weg. Selbstachtung heißt, Warnsignale ernst zu nehmen und Unterstützung anzunehmen, bevor aus Stress eine Krankheit wird. Dazu gehören die Angebote, die Opel bereitstellt: Präventionskurse und Beratung. „Wir schaffen Strukturen, die helfen“, sagt Wedde. „Aber sie wirken nur, wenn man sie nutzt.“
Unter seiner Regie werden auch Fördergelder des Landeswohlfahrtsverbands gezielt eingesetzt: elektrische Türöffner, umgebaute Toiletten, Kranverlängerungen, Hebehilfen, Bodenmatten, Handläufe – Investitionen, die täglich spürbar sind. Natürlich gibt es auch Punkte, bei denen es hakt. Ein Alarmsystem für gehörlose Personen am Standort Rüsselsheim steht schon lange auf der Wunschliste der SBV – die Umsetzung dauert. „Im Grundsatz arbeiten wir als Schwerbehindertenvertretung sehr eng und partnerschaftlich mit der Arbeitgebervertretung zusammen“, betont Wagner.

Mehr als eine Pflichtübung: das BEM
In einem Feld arbeiten Wedde und Wagner besonders eng vernetzt: dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM). Es ist gesetzlich vorgeschrieben – bei Opel aber weit mehr als eine Pflichtübung. Ziel: Beschäftigte nach langer Krankheit so zurückholen, dass sie bleiben können. Ohne Rückfall. Ohne Überforderung.
An einem Tisch sitzen nie nur Betroffene. Immer dabei: SBV, Inklusionsbeauftragter, Betriebsrat, manchmal der Integrationsfachdienst. Gemeinsam suchen sie Lösungen: geänderte Aufgaben, neue Arbeitszeiten, technische Hilfen, Qualifizierung. „27 BEM-Verfahren gab es in den vergangenen zwei Jahren“, sagt Wedde. „Jedes ein Beispiel dafür, wie Arbeit neu gedacht werden kann“, sagt Wagner.

„Unternehmen, die Vielfalt nachhaltig verankern, steigern Innovationskraft.“
Saskia Harms, Managerin für Diversity & Inklusion im Unternehmen, ergänzt die strategische Perspektive dieser Arbeit: „Vielfalt ist und bleibt ein strategischer Erfolgsfaktor. Wirtschaftliche Unsicherheiten und politische Umbrüche stellen Diversity-Strategien zwar weltweit auf die Probe – aber Studien zeigen klar: Unternehmen, die Vielfalt nachhaltig verankern, steigern Innovationskraft, Arbeitgeberattraktivität und Resilienz.“
Ihre Worte verbinden das operative Handeln von Wedde und Wagner mit dem größeren Bild: Inklusion ist nicht nur Fürsorge – sie ist ein Wettbewerbsfaktor. Darum ist Inklusion bei Opel kein Zusatz, sondern gelebte Verantwortung – getragen von Menschen, die täglich dafür sorgen, dass niemand im Arbeitsalltag zurückbleibt.


November 2025