A 'racy' electric car: the preparations for the world’s first purely electric rally one-make cup are in full swing.

„READY TO RACE“

Opel-Pilot Marijan Griebel zieht die Sechspunktgurte fest und checkt nochmal seine Instrumente. Navigator Tobias Braun nullt den Tripmaster, der die zurückgelegte Distanz misst, und blickt hochkonzentriert auf die Strecke. Vor dem Opel Corsa-e Rally zählt ein Zeitnehmer per Handzeichen die Sekunden bis zum Start herunter. Bei drei zieht Griebel die hydraulische Fly-off-Handbremse an, gibt gleichzeitig ein wenig „Gas“ und spannt so den elektrischen Antrieb vor.

Unbeeindruckt durch die Cuts

Bei Null reißt der Zeitnehmer die Hand weg, Griebel lässt die Bremse los, und der Corsa-e sprintet aus den Blöcken, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Sofort rattert der Copilot seine Ansagen herunter: „50 Links Fünf voll, in Rechts Vier minus, macht zu, 20 Schikane rechts, 40 Rechts Fünf voll Cut …“ Der 136 PS starke Elektro-Corsa wirft sich mit Vehemenz in die Ecken, beschleunigt dank seines aus dem Stand anliegenden hohen Drehmoments von 260 Newtonmeter eindrucksvoll. Besonders aus den Kehren heraus sorgt das Torsen-Sperrdifferenzial für beste Traktion. Der Rallyewagen knallt unbeeindruckt durch Cuts, lenkt präzise, bremst fulminant.

Während des dreitägigen Testprogramms im Testcenter in Pferdsfeld wurden zwei komplette Läufe der Deutschen Rallye-Meisterschaft (DRM) geprobt.
Marijan Griebel absolvierte die dreitägigen Testfahrten im Testcenter in Pferdsfeld. 

Auf diese Art ist Opel-Werksfahrer Marijan Griebel schon hunderte Male zuvor in eine Wertungsprüfung gestartet. Zum Beispiel in die WP 13 der Rallye Liepāja im Jahr 2016. Nach 23,05 fehlerlosen Kilometern am absoluten Limit in der letzten Prüfung und mehr als 200 Kilometern während der gesamten Rallye war es endlich geschafft: Der Polizeikommissar aus Hahnweiler siegte mit seinem Opel ADAM R2 beim Saisonfinale in Lettland und holte sich den Titel in der FIA ERC Junior – als erster deutscher Rallye-Europameister seit 15 Jahren. 2020 sitzt Griebel nun im ersten rein elektrischen Rallye-Markenpokal-Fahrzeug der Welt. Entwickelt für den ADAC Opel e-Rally Cup, der 2021 in seine erste Saison startet.

Marijan Griebel
Die Laufbahn des 31-Jährigen ist eng mit Opel verbunden. 2013 war er Titelträger des ADAC Opel Rallye Junior Cups, im Folgejahr stieg er ins ADAC Opel Rallye Junior Team auf. Im Werks-Opel ADAM R2 fuhr er 2014 den Divisionstitel in der Deutschen Rallye-Meisterschaft ein. 2016 errang er den FIA ERC Junior U27 Rallye-Europameistertitel.

Vorbereitung auf neuen Markenpokal

Mit dem neuen Markenpokal engagiert sich Opel wieder im Kundensport und will damit an den Erfolg des ADAC Opel Rallye Cup anknüpfen, an dem ab 2013 insgesamt 131 Piloten aus 18 Nationen teilgenommen haben. Bevor es soweit ist, stehen Testfahrten mit dem Opel Corsa-e Rally an. Die Mannschaft von Opel Motorsport hat sich dafür drei Tage im Testcenter Pferdsfeld einquartiert. Hier in Rheinland-Pfalz wird der Elektro-Renner für den Einsatz bei Läufen zur Deutschen Rallye-Meisterschaft (DRM) fit gemacht.

Erstmals im Rallyesport ging es um die Besonderheiten von Elektromobilität wie Lauf- und Ladezeiten, Temperaturmanagement der Batterie und Feintuning der entsprechenden Software.
Der Opel Corsa-e Rally generiert eine Leistung von 136 PS bei einem sofort anliegenden Drehmoment von 260 Nm. Die Lithium-Ionen-Akkus haben eine Speicherkapazität von 50 kWh. 

Auf dem Handlingkurs des weitläufigen Testgeländes bei Bad Kreuznach sind vier Corsa-e Rally drei Tage lang unterwegs, um die Abläufe einer Rallye zu simulieren. Realitätsnah. Unter Wettkampfbedingungen.

Griebel und sein Co sind schonfrüh mittendrin. 8.05 Uhr: Parc-fermé OUT. 8.08 Uhr: Service IN. 8.23 Uhr: Service OUT. Es folgen 9,6 Kilometer Verbindungsetappe außerhalb des Testcenters, also Mitschwimmen im Berufsverkehr, ganz brav gemäß StVO. Jedes Rallye-Auto bis hin zum WM-Boliden ist straßenzugelassen.

100kW
136PS

Leistung

Das Ziel: Plagen, testen, verbessern

Verwunderte Blicke aus den anderen Autos. Der Renner im Opel Motorsport-Outfit ist schließlich kein alltäglicher Anblick. Pünktlich zurück im Testcenter, Zeitkontrolle (ZK) um 8.44 Uhr, Helme auf, letzter Check, Start in WP1 um 8.49 Uhr, Distanz: 20 Runden à 1,6 Kilometer, Attacke!

In der Wertungsprüfung geht es darum, den Corsa-e Rally so richtig zu plagen, zu testen, was noch verbessert werden muss, zu sehen, wo seine Grenzen sind, etwa ob der Antriebsstrang die Tortur klaglos verkraftet. Es ist wichtig herauszufinden, wie die Basisabstimmung für die Kunden ausgelegt werden soll, wie Lauf- und Ladezeiten mit einem Rallye-Zeitplan in Einklang zu bringen sind, wie das Temperatur-Management von Elektromotor und Batterieeinheit funktioniert.

Zur effizienten Nutzung der gespeicherten Energie verfügt der Opel Corsa-e Rally über drei verschiedene Fahrmodi: WP (volle Leistung), WP Regen (angepasste Drehmomentkurve für rutschigen Untergrund) und Eco (Verbindungsetappen).

Zurück am Servicepunkt stürzen sich die Opel-Ingenieure sofort auf den Corsa-e Rally: Laptop einstöpseln, Daten auslesen, Reifen und Bremsen kontrollieren, Temperaturen messen. Und auch im Digitalzeitalter ist die Rücksprache mit dem Fahrer immer noch eine der wichtigsten Komponenten in der Entwicklung eines Rennautos. Wie war’s? Was war anders als vorher? Wie reagiert das Auto im Fahrzustand X, wie im Fahrzustand Y? Anregungen, Beschwerden, Vorschläge?

260 Nm

Drehmoment

Anregungen, Beschwerden, Vorschläge?

In dieser Wertungsprüfung lag das Augenmerk vor allem auf der Bremswirkung und dem richtigen Bremsgefühl. Pilot Griebel wünscht sich ein noch direkteres Ansprechen der Bremsen, eine bessere Rückmeldung vom Pedal bei maximaler Verzögerung. Also entscheiden sich die Opel-Techniker für etwas härtere Bremsbeläge. Los geht’s zur nächsten WP. Derselbe Ablauf, wieder 20 Runden, Auto kommt rein, der Europameister strahlt, hebt den Daumen, alles okay, so passt es perfekt. Service, Batterie laden – in nur 30 Minuten ist der Akku bereits wieder zu 80 Prozent voll. Genau die richtige Zeit für eine Pause mit Sandwich und einem heißen Kaffee.

Der neue Corsa-e Rally biegt mit diesem Dreitagestest auf die Zielgerade: Das Fahrwerk passt, Lenkung und Bremsen sind jetzt bestens abgestimmt, alle wichtigen Schalter, Hebel und Sicherheitseinbauten sind integriert. Nun ist die Feinjustierung der Software dran. Alles muss penibel auf jede Situation abgestimmt sein; Anpassungen in einem Bereich haben Auswirkungen auf einen anderen. Hier ist bei Ingenieuren wie Testfahrern Geduld gefragt.

Blick durch die Heckklappe: Hier ist ein unverzichtbares Element für ein Rallyefahrzeug verstaut – das Reserverad. Ein Reifenschaden kann auf einer Wertungsprüfung immer mal passieren, und dann heißt es für die Besatzung: aussteigen und wechseln.
Blick ins aufgeräumte und zweckmäßige Cockpit: Der lange Hebel in der Mitte ist die Fly-off-Handbremse, mit welcher der Fahrer die Hinterräder zum Blockieren bringen kann. Das hilft beim Durchfahren ganz enger Kehren.

Ein treffendes Beispiel ist etwa das Mapping des Gas-, pardon, des Fahrpedals. Die Rallyepiloten mit ihrem ganz besonders sensiblen rechten Fuß wünschen hier direktes Ansprechen für beste Leistungsdosierung. Hier agiert der Corsa-e Rally noch ein wenig zu stürmisch. Das Pedal setzt Fahrkommandos einen Tick zu progressiv um. Marijan Griebel wünscht sich ein lineareres Ansprechverhalten. Also wird das Steuergerät programmiert. Solange, bis der Europameister wieder den Daumen hebt.

50 kWh

Lithium-Ionen-Akku

1.500 Testkilometer abgespult

Nach drei intensiven Tagen haben die vier Rallye-Stromer rund 1.500 Testkilometer abgespult. Problemlos. Crew und Piloten sind platt – aber hoch zufrieden. Marijan Griebel zieht Bilanz der Rallye-Simulation: „Es war ein erfolgreicher Test. Unsere Kunden bekommen ein ausgereiftes, innovatives Markenpokal-Fahrzeug mit toller Performance und einfachem Handling. Der Corsa-e Rally ist ‚ready to race‘!“


Januar 2020

Text: Marcus Lacroix, Fotos: Andreas Liebschner