„Je altersgemischter, desto besser“

Herr Brust, derzeit arbeiten bei Opel so viele unterschiedliche Generationen unter einem Dach wie nie zuvor. Welche Auswirkungen hat diese Generationen-Vielfalt auf die tägliche Arbeit?
Carsten Brust: Grundsätzlich bereichert es die Arbeit – je altersgemischter die Teams sind, desto besser. Sobald unterschiedliche Generationen zusammenkommen und verschiedene Perspektiven, Erfahrungen und Wissensschätze in ein Projekt einfließen, fallen die Ergebnisse deutlich besser aus, als wenn die Teams homogen sind. Das funktioniert aber nur dann reibungslos, wenn sich die unterschiedlichen Generationen mit gegenseitigem Respekt und Wertschätzung begegnen.

Woher rührt die Unterschiedlichkeit der Generationen?
Jede Generation hat ähnliche prägende Erfahrungen gemacht, es haben sich gemeinsame Werte und typische Verhaltensweisen herausgebildet. Ein Beispiel: Mein Vater und mein Schwiegervater, beide sind beziehungsweise waren in einem ähnlichen Alter und haben völlig unterschiedliche Interessen. Der eine geht aufs AC/DC-Konzert, der andere liest philosophische Abhandlungen. Aber sie haben ähnliche Werte und Verhaltensmuster. Struktur und Pünktlichkeit etwa sind beiden heilig. Um 12 Uhr wird zu Mittag gegessen. Sei es im Hierarchiedenken, der Feedback-Kultur oder Work-Life-Balance – jede Generation hat im Kollektiv unterschiedliche Bedürfnisse entwickelt.

Boomer

Die Babyboomer wurden etwa zwischen 1946 und 1964 geboren.

Würden Sie uns bitte zunächst einmal die vier Generationen kurz skizzieren beziehungsweise charakterisieren?
Die Generation der Babyboomer, also die zwischen 1946 und 1964 Geborenen, messen ihrer Arbeit einen großen Stellenwert bei. Man sagt, der Leistungswille und die Leistungsbereitschaft seien besonders groß. Der Ursprung des Begriffs „Workaholic“ stammt nicht von ungefähr aus dieser Generation. Auch die nachfolgende Generation X, ab 1965 geboren, wurde noch von Sätzen wie „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ geprägt. Auch wenn die X-er durchaus ehrgeizig sein können, hält mit ihnen erstmals der Begriff Work-Life-Balance Einzug ins Arbeitsleben.

Den großen Umbruch markiert dann die Generation Y, die zwischen 1979 und 1999 Geborenen.
Ja, die Millennials, wie sie auch genannt werden, haben ein Umdenken angestoßen, indem sie flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit nach Homeoffice eingefordert haben. Auch Mentoring ist ihnen wichtig, sie nutzen jede Chance zu lernen. Dafür nehmen sie ein Work-Life-Melting in Kauf – zugunsten der Flexibilität wird die Arbeit auch bereitwillig mit nach Hause genommen. Interessanterweise ändert sich das gerade mit dem Einzug der Generation Z. Das sind diejenigen, die ab 2000 geboren wurden und die jetzt ins Berufsleben eintreten. Bei ihnen ist die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben wieder trennschärfer.

Was sind klassische Konflikte in altersgemischten Teams – und wie lassen sie sich aus der Welt schaffen?
Je größer der Altersunterschied ist, desto unterschiedlicher sind die Prägungen. Erfahrene Kollegen, also die Babyboomer etwa, reagieren mitunter irritiert, wenn die jüngsten Kollegen bereits mit dem Eintritt ins Berufsleben sehr fordernd auftreten. Hier ist es wichtig, ein grundlegendes Verständnis füreinander zu entwickeln. Die Generation Babyboomer war – wie der Name schon sagt – zahlenmäßig groß. Im Vergleich zu heute sind damals etwa 5 bis 6 Millionen Menschen mehr auf den Arbeitsmarkt geströmt. Klar, musste man sich da beweisen und durchsetzen, mit Fleiß und Ehrgeiz. Heute ist es anders. Die Unternehmen werben um den Nachwuchs. Die Generation Z ist begehrt – und das weiß sie. Daher ist es aus ihrer Sicht durchaus logisch, Forderungen an den Arbeitgeber zu stellen.

Sich solche Unterschiede bewusst zu machen, hilft also dabei, Missverständnisse beizulegen?
Ja. Bei Opel haben wir bereits vor 15 Jahren Führungskräfte zum Thema „Unterstanding generational differences“ geschult. Und das Thema ist immer wichtiger geworden. Gerade auch um Know-how im Unternehmen zu bewahren, ist ein Austausch zwischen den Generationen unabdingbar. Die Babyboomer-Generation hat einen großen Wissensschatz aufgebaut – und geht jetzt in Rente. Es ist wichtig, dass die erfahrenen Kollegen ihr Know-how weitergeben, damit Wissen nicht verloren geht. Interessanterweise hat gerade die Corona-Pandemie dabei geholfen, dass sich die Generationen angenähert haben.

X

Die Generation X umfasst die Jahrgänge zwischen 1965 und 1978.

Y

Die Generation Y wird auch Millennials genannt. Dazu gehören die zwischen 1979 und 1999 Geborenen.

Z

Die Generation Z umfasst alle, die zwischen 2000 und 2012 geboren wurden.

Inwiefern?
Die erfahrenen Kollegen haben die Vorteile von mehr Flexibilität durch Mobiles Arbeiten und Homeoffice zu schätzen gelernt und festgestellt, dass die Arbeit trotzdem läuft. Das war mit Sicherheit für die eine oder andere Führungskraft eine Offenbarung. Da schließe ich auch uns selbst, die Berufsausbildung, mit ein. Wir haben innerhalb kürzester Zeit von einer Präsenz-Ausbildung auf hybride Modelle umgestellt und haben so 280 Auszubildenden ausgebildet und teilweise bis zu ihren Abschlüssen begleitet. Dass dies zum Teil aus dem Homeoffice heraus möglich ist, hätten wir uns vor vorher auch nicht vorstellen können.

Also hat die Corona-Pandemie keine große Auswirkung auf die Ausbildungssituation im Unternehmen gehabt?
Oh, doch. Die Auswirkungen werden uns noch länger beschäftigen. Wir merken zum Beispiel gerade – wie alle anderen Arbeitgeber auch – dass die jungen Menschen die verloren gegangene Zeit nachholen möchten: Statt nach dem Schulabschluss sofort eine Ausbildung oder ein Duales Studium zu beginnen, reisen sie, nehmen Work&Travel-Angebote wahr oder ähnliches. Das hat natürlich zur Folge, dass dieses Jahr weniger Bewerbungen eingegangen sind als gewöhnlich. Im Ausbildungsjahr 2023 hingegen werden dann vermutlich besonders viele junge Menschen mit ihrer Ausbildung beginnen wollen. Aber mit solchen Schwankungen haben wir bereits Erfahrungen, als zum Beispiel mit der Umstellung der Schulzeit von 13 auf 12 Jahren zwei Jahrgänge gleichzeitig ihren Schulabschluss gemacht haben.

Egal welche Generation – was kann jeder Einzelne für ein gutes Miteinander tun?
Das Wichtigste ist eine Haltung der Wertschätzung und Fairness untereinander. Keine Generation ist besser oder schlechter als die andere. In der Berufsausbildung haben wir den Satz geprägt: „Meine Wahrnehmung ist nur meine Realität.“ Wenn sich alle Mitarbeiter mit Offenheit und Neugierde begegnen und sich austauschen, eröffnen sich andere Realitäten. Und das bereichert die Arbeit und hat die bestmöglichen Ergebnisse zur Folge.

Herr Brust, vielen Dank für die spannenden Ausführungen!

Diversität & Inklusion

Ein unternehmensweites D&I-Programm steht bereits in den Startlöchern. Es wird in acht Sprachen verfügbar sein und besteht aus fünf Modulen.


Juni 2022

Interview: Tina Henze, Foto: Opel