Die Vielfalt gemeinsamer Werte

Fakt ist: Es gibt kein Unternehmen ohne Unternehmenskultur. Sie entsteht immer dann, wenn Menschen in all ihrer Vielfalt zusammenkommen und zusammenarbeiten. Dabei bilden sich gemeinsame Werte heraus. Sichtbar und greifbar werden sie in den Biografien der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Anlässlich des Deutschen Diversity-Tags haben wir uns mit Dorothee Reinhardt, Manju Tojan und Selcuk Kurban verabredet, um mit ihnen über ihre Erfahrungen zu sprechen und Schlaglichter auf die Werte zu werfen, die im Unternehmen gelebt werden.

„Ich hatte das Grundvertrauen, dass alles gut werden wird.“

– Dorothee Reinhardt –

Die Erinnerung ist noch immer präsent. Daran, wie aus dem formbaren Ton die sportlichen Konturen mit jedem Arbeitsschritt präziser hervortraten: „Wir standen Schulter an Schulter, den rot-braunen Clay in den Händen und erkannten: Der neue Astra wird ein herausragendes Auto.“ 2017 war das. Damals war Dorothee Reinhardt seit sieben Jahren im Unternehmen. Sie hatte sich zur Technischen Modellbauerin ausbilden lassen und anschließend zur Produktdesignerin weiterqualifiziert. Der Astra war ihr erstes Projekt als Clay-Modelleurin – „alles war perfekt.“ Und doch zögerte sie nicht, sich nach einer anderen Stelle im Unternehmen umzuschauen, als sich abzeichnete, dass sich das Team der Clay-Modelleure verkleinern würde. „Ich hatte das Vertrauen, dass alles gut werden würde“, sagt sie. Dieses Urvertrauen hatte sich im Laufe der Zeit aufgebaut, durch die Wertschätzung ihrer Arbeit, ihres Engagements. „Dazu gehörte auch, dass man mir damals 2014 angeboten hatte, mich für meine Weiterbildung zur Produktdesignerin freizustellen und im Anschluss konnte ich nahtlos wieder ins Unternehmen einsteigen – das war alles andere als selbstverständlich“, betont sie.  

Excel statt Clay

Mit diesem Grundvertrauen ausgestattet, stürzte sie sich im Sommer 2020 in ihre neue Aufgabe – als Assistant Brand Managerin. Dabei konnte sie nur ein Bruchteil dessen, was in der internen Stellenausschreibung gefordert war: „Ich hatte kein BWL-Studium und egal ob PowerPoint oder Excel – jedes Programm war Neuland für mich.“ Doch sie hat sich durchgebissen, aus dem Homeoffice heraus, mit „großartiger Unterstützung der Kollegen.“ Und so hat die 31-Jährige den Astra nicht nur aus Clay geformt, sondern auch dazu beigetragen, dass der Rüsselsheimer Newcomer vor wenigen Wochen in TV-Spots, auf Riesenplakaten und in Magazinen mit einer 360 Grad-Kampagne in ganz Europa den Kunden vorgestellt wurde. „Ob Kampagnenmotive erarbeiten, Shootings organisieren, Fotos auswählen: Auch in meiner neuen Funktion kann ich meine kreative Ader einbringen“, sagt die neue Marketing-Mitarbeiterin. Und das Grundvertrauen darin, im richtigen Unternehmen zu sein – das ist weiter gewachsen.

„Wow, ein Jobangebot von Opel!“ Nach einem Master of Technology an einer der besten Universitäten in Indien, einem Master of Science in Elektrotechnik in Darmstadt und drei Jahren als Anwendungsingenieurin bei einem Automobilzulieferer in Süddeutschland, musste Manju Tojan nicht lange überlegen: „Es war der perfekte nächste Karriereschritt.“ Im Bereich „Noise, Vibration, Harshness“ (NVH) konnte sie ihre Erfahrungen einbringen, ihre Expertise ausbauen, fachlich lief es super. Und doch fremdelte sie: „Das Team war toll, die Kollegen nett. Aber ich war die einzige Frau und mit 27 Jahren die Jüngste. Mit Abstand. Und als ich dann noch während meiner Probezeit schwanger wurde, hatte ich die Sorge, dass meine Karriere bei Opel zu Ende sein könnte, noch bevor sie richtig begonnen hatte“, erzählt sie im Gespräch. Doch es kam anders. Einer ihrer erfahrenen Kollegen erkannte, dass sie einen verlässlichen Lehrer und eine Stütze brauchte. „Ulrich Zimmer, ein toller Kollege und wunderbarer Mensch, wurde eine Art Mentor für mich“, erzählt Manju Tojan, „leider ist er inzwischen verstorben, aber er wird immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben.“ Er war es auch, der ihr die Augen dafür öffnete, dass die Elternzeit kein Rückschlag für ihre Karriere sein muss.

Karriere und Familie

Und genau so war es auch: Als Manju Tojan ins Unternehmen zurückkehrte, konnte sie sofort wieder Fuß fassen und mehr noch: Die Fusion von PSA mit Fiat-Chrysler zu Stellantis eröffnete neue Perspektiven. „Wir sind inzwischen konzernweit für die NVH-Leistung elektrischer Systeme verantwortlich – für alle Fahrzeugplattformen weltweit“, sagt die Ingenieurin mit leuchtenden Augen. Natürlich sei es eine Herausforderung, ihre tägliche Arbeit mit Geräusch- und Vibrationstests, den Tests in Klimakammern und auf Rollenprüfständen sowie den vielen Telefonaten zu bewältigen, „aber ich liebe meine Arbeit, der Zusammenhalt im Team und der Austausch mit den Kollegen weltweit helfen mir, jeden Tag mein Bestes zu geben.“ Auch das mobile Arbeiten hilft ihr sehr dabei, ihre beruflichen Pflichten mit denen einer Mutter eines sechsjährigen Sohnes zu vereinbaren. Und wenn es Gesprächsbedarf gibt, tauscht sie sich mit ihren Kolleginnen im „Women of Stellantis“-Netzwerk aus. „Die gegenseitige Unterstützung ist inspirierend und notwendig für jede Frau, die versucht, das Beste aus beiden Leben – Familie und Beruf – herauszuholen“, sagt sie. Wenn man sie heute fragt, ob sie sich wohl fühlt, folgt die Antwort prompt: „I’m happy, absolutly happy“ – eine gesteigerte Dopplung, die auch genau so gemeint ist.

„Das mobile Arbeiten hilft sehr dabei, als Mutter einen anspruchsvollen Job auszuüben.“

– Manju Tojan –

„Der Zusammenhalt unter den Kollegen im Unternehmen ist noch immer ein besonderer.“

– Selcuk Kurban –

„Ich bin Opelaner durch und durch“, stellt sich Selcuk Kurban am Telefon vor und schickt hinterher: „Ich bin Gruppenleiter mit Migrationshintergrund“. Ob der familiär-kulturelle Hintergrund im Unternehmen jemals eine Rolle gespielt hat? „Nicht in Ansätzen“, sagt er ohne zu zögern. Was hingegen eine Rolle gespielt hat, war sein Wille, sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen. So ist der 47-Jährige, der 1991 als Auszubildender zum Elektroniker ins Unternehmen eingestiegen ist, heute Personalverantwortlicher für über 2.000 Mitarbeiter. Dazu gehören Kollegen der Fertigung, des Facility Managements und der Logistik am Werksstandort Rüsselsheim. Den Wunsch, sich einzubringen, hatte Selcuk Kurban früh. Im zweiten Lehrjahr engagierte er sich in der Jugendvertretung des Betriebsrates. Auch als er später als Testfahrer in Dudenhofen die Opel-Modelle über die Rüttelstrecke oder die Hochgeschwindigkeitsbahn jagte, nahm er die Interessenvertretung der Arbeitnehmer wahr.

Diversität als DNA

Und Themen wie Chancengleichheit, Diversität und Respekt treiben ihn auch heute als Gruppenleiter Personal an. „In meiner langen Zeit im Unternehmen habe ich oft erlebt, wie bereichernd es ist, wenn Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen zusammenkommen“, schildert er. Der Zusammenhalt unter den Kollegen in Rüsselsheim sei noch immer ein besonderer. Kurban: „Im Grunde ist Diversität unsere DNA.“ Am Werksstandort in Rüsselsheim arbeiten immerhin Menschen aus rund 50 Nationen. Die Jüngsten sind um die 20, die erfahrensten Kollegen über 60 Jahre alt. Und derzeit tue sich eine Menge. „Wir stellen neue Kollegen ein für eine zweite Schicht, auch die Auswahl der nächsten Generation an Meistern läuft“, schildert er. Es freue ihn, dass mehr Frauen handwerkliche Berufe in Betracht ziehen – „das bringt neue Sichtweisen ein, bereichert die Teams.“ Und auch dass Opel seit über 20 Jahren führend ist, bei der Beschäftigung schwerbehinderter Mitarbeiter innerhalb der Automobilindustrie, zeige, dass Diversität und Integration im Unternehmen nicht nur auf dem Papier existieren – „es wird aktiv gelebt.“  


Mai 2022

Text: Tina Henze, Fotos: Meike Schmidt, privat, Andreas Liebschner