Die dritte Säule der Stadt

 

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Teil 7: Meisterliche Motoren
„Diese Stadt steht auf drei Säulen“, verkündet Kaiserslauterns Oberbürgermeister Gerhard Piontek im Dezember 1991 und zählt auf: „Die Universität, der 1. FC Kaiserslautern – und Opel“. Der Applaus ist ihm sicher. Vor ihm, in der Lauterer Fruchthalle, sitzen 192 Opelaner mit Anhang sowie diverse Ehrengäste, später wird Costa Cordalis singen. 25 Jahre alt ist das Werk in Kaiserslautern nun, und ebenso lange stehen die geladenen Beschäftigten im Dienste des Unternehmens. Die Gründergeneration, die Mitarbeiter der ersten Stunde, feiern Jubiläum.

Nicht nur für diese Säule der Stadt ist es ein besonderes Jahr. Im August 1990 kommt Stefan Kuntz, Mannschaftskapitän und Stürmerstar des FCK, ins Werk und nimmt einen Kadett Cabrio in Empfang. Ein Jahr später, zum Tag der offenen Tür anlässlich des Opel-Jubiläums, fährt er  damit vor, um Autogramme zu geben – diesmal als Deutscher Meister. Zum ersten Mal seit 1953 hat der Verein des legendären Fritz Walter diesen Titel wieder in die Pfalz geholt. Und dabei die Art von Fußballgeschichte geschrieben, die sie in und um Lautern schon immer am liebsten erzählt haben: Sie hatten nicht die besten Spieler, schon gar nicht die teuersten, aber sie waren die Mannschaft mit dem richtigen Teamgeist.

 


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Hoher Besuch: Werkdirektor Jochen Ohse und Betriebsratsvorsitzender Alfred Klingel (v.l.) präsentieren zusammen mit Opel-Vorstand Wolfgang Strinz (r.) Rainer Brüderle (2.v.r.), damals Wirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz, den DI Diesel.

 

Im DI Diesel angekommen: Ludwig Mersmann ist zunächst als Abschnittsleiter, später als Manager der Motorenschmiede tätig.

 


DER EISERNE VORHANG FÄLLT – UND SCHAFFT NEUE RÄUME
Natürlich wird 1991 in der Opel-Pfalz nicht nur gefeiert. In der Familie II-Motorenproduktion, in der „Industrial Engineering“-Abteilung von Volker Wild, hat ein junger Mann aus Nordrhein-Westfalen seine Arbeit aufgenommen, der im berühmten Stadion am Betzenberg sogar schon einmal die Strippen gezogen hat, allerdings nur im wörtlichen Sinn. Während seines Studiums zum Elektrotechniker hat Ludwig Mersmann Kabel für die neuen Flutlichtmasten verlegt. In die Pfalz ist der gelernte Kfz-Elektriker als Bundeswehrsoldat gekommen, der Liebe wegen ist er geblieben. Nach einer längeren Laufbahn beim Militär steht ihm jedoch nicht der Sinn. Lieber studiert er und heuert anschließend bei Opel an.

Es ist eine bewegte Zeit. Die Konzernmutter General Motors setzt längst nicht mehr nur auf Fertigungsstätten in Deutschland. Vor allem die Öffnung des Eisernen Vorhangs macht auch Investitionen im Osten attraktiv.

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Von der Fertigung ins Büro: Heute wirkt Ludwig Mersmann als Leiter Human Resources in Kaiserslautern.

 

 


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Auch das Presswerk wird modernisiert: Unter anderem ist nun die Fertigung von zwei Türen mit nur einem Werkzeug möglich.

 


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Ab in die Presse: Insgesamt 60 Millionen D-Mark werden im K19 investiert.

Dabei findet unter den europäischen Standorten unter dem GM-Konzerndach auch ein reger Austausch statt. Hans Thul, im Lauterer K1 groß geworden und in der „Familie II“ zum Motorenspezialisten gereift, hat in den vergangenen Jahren den Aufbau des Werks im ungarischen Szentgotthárd federführend begleitet und kehrt in die Pfalz zurück – genau in dem Moment, als GM einen Auftrag für die Produktion eines neuen Direct Injection (DI) Dieselmotors ausschreibt. Die Erfahrungen, die Hans Thul in Ungarn gesammelt hat, lässt er nun in Lauterns Bewerbung für die neue Fertigung einfließen. Und sie ist maßgeblich entscheidend dafür, dass die Pfälzer den Zuschlag erhalten.

UNGARN-ERFAHRUNG SICHERT ZUSCHLAG
Rund 500 Millionen D-Mark investiert Opel in die neue Produktion, welche die 5.200 Arbeitsplätze in der Opel-Pfalz absichert. Die Produktion soll ins K30 integriert werden, zur Familie II. Neu investiert wird außerdem ins Presswerk. Die Pfalz soll zwei Drittel der Karosserieteile für den neuen Vectra liefern. Sechs der insgesamt 18 Pressenstraßen werden neu automatisiert, sechs weitere erhalten eine neue Steuerungstechnik, drei werden generalüberholt. Insgesamt fließen 60 Millionen D-Mark ins K19.

 


SCHLANKER, HELLER, TRANSPARENTER – UND EFFIZIENTER
„Das war eine ungeheuer spannende Geschichte“, erinnert sich Ludwig Mersmann. „Am Standort entwickelte sich ein regelrechter Hype: Es entstand wieder etwas Neues, Großes in Lautern. Da wollte jeder dabei sein.“ Er selbst wird zunächst Teil des Installationsteams, das unter Leitung von Hans Thul den Aufbau betreut, und bewirbt sich anschließend als „Abschnittsleiter“ – ein Begriff, den es bislang in Kaiserslautern nicht gab. Denn die neue, „schlanke“ Fertigung, die entsteht, will ihr Grundprinzip auch in ihrer Organisationsstruktur verinnerlichen. Flache Hierarchien sind geplant – ein Manager als Leiter, unter ihm sechs Abschnittsleiter, darunter 13 Teamleader und schließlich die Teams.

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Ohne Monitorüberwachung geht gar nichts mehr: Instandhalter Oliver Kreutz behält den Überblick.

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Von wegen Männersache: Gertrud Stemler ist in der Motorfamilie II aktiv.

 

Auch die optische Anmutung des insgesamt 18.000 Quadratmeter umfassenden Bereichs steht für die neue Philosophie: In der Familie II, die Anfang der Achtziger entstanden war, dominierte noch Grün, weil die Arbeitspsychologen seinerzeit der Auffassung waren, die Farbe beruhige. Die neue Fertigung dagegen erstrahlt in hellem Grau, die Anlagen werden nicht mehr mit Absperrgittern geschützt, sondern mit durchsichtigen Makrolonscheiben. Das Orange der Roboterkollegen sorgt für Farbe, die menschliche Mannschaft dagegen trägt fortan einheitlich lichtgraue Hemden. Offenheit, Freundlichkeit und Transparenz drückt das gesamte Erscheinungsbild aus, dennoch wird mehr auf effiziente Raumausnutzung geachtet als je zuvor.


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Bernd Lösch und Ulrich Strasser im Methoden- und Trainingszentrum: Hier können die Mitarbeiter an eine komplett eingerichteten, aber vom Montageband abgekoppelten Arbeitsstation bestimmte Fertigkeiten trainieren oder neue Lösungen entwickeln.

 


KURZE WEGE – UND EIN UNERSCHÜTTERLICHER TEAMGEIST
Das gesamte Layout ist auf kurze Wege angelegt. Beispielhaft dafür sind die „Loops“, die an die Montagelinie angedockt sind. Halbkreise, in denen vier- bis sechsförmige Teams jeweils einen Motor zusammenbauen, sich dabei eigenverantwortlich organisieren und sich, falls nötig, gegenseitig schnelle Hilfe leisten – dank der „Loop“-Form auf den besagten kurzen Wegen.

Oben am Hallendach gibt das „Andonboard“ fortwährend die wichtigsten Kennzahlen bekannt – vor allem das angestrebte Tagesziel an produzierten Motoren. „Am Ende der Schicht da rauf zu gucken und es geschafft zu haben, das war ein fantastisches Gefühl“, erzählt Ludwig Mersmann. „Vor allem am Anfang. Da der Automatisierungsgrad im DI so hoch war wie noch in keinem anderen Fertigungsbereich zuvor, hatten wir mit technischen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen, aber mit vereinten Kräften haben wir es geschafft, immer wieder.“ Weil sie die Mannschaft mit dem besten Teamgeist waren.

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Schon bei der Installation der Anlagen wird darauf geachtet, keinen Meter zu verschenken: Das DI Dieselwerk wird die modernste Motorenschmiede der Welt.

 

 


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Jetzt geht’s los: Werkdirektor Jochen Ohse (l.), Betriebsratsvorsitzender Paul Schleicher und Opel-Chef Dave Herman (v.r.) überlassen es Landesvater Kurt Beck, das Startsignal für die Produktion des DI Diesel zu geben.

 


DIE MODERNSTE MOTORENFABRIK DER WELT
Das DI Dieselwerk gilt bei seiner Eröffnung als die modernste Motorenfabrik der Welt. In Spitzenzeiten produziert sie täglich 1.174 Aggregate in drei Schichten. Entsprechend viele Besucher zieht es in den kommenden Jahren an. Schulklassen schauen ebenso vorbei wie Fachleute aus allen Kontinenten. Vor allem manifestieren die Opel-Pfälzer mit der Dieselschmiede ihre gewachsene, hohe Kompetenz im Motorenbau, die sich schließlich auch im Unternehmensverbund niederschlägt.

2001 entsteht „Opel Powertrain“ als eigenständiger Motoren- und Getriebeproduzent unterm Konzerndach. Erster Geschäftsführer des Unternehmens wird Jochen Ohse, der zuvor zehn Jahre als Werkdirektor in der Pfalz wirkte. Sein Nachfolger wird Wilfried-Jürgen Ehrlich, der vor Jahren schon einmal in der „Familie II“ Führungsaufgaben ausübte. Powertrain-Chef in Lautern wird August Trenkle, ebenfalls ein erfahrener Betriebsleiter aus dem K30. Und als sich Hans Thul in den Ruhestand verabschiedet, wird wieder einer mit „Stallgeruch“ neuer DI Diesel-Manager: Ludwig Mersmann.

 

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Ebenfalls neu: das Kanban-System. Mit ihm können die Mitarbeiter den Materialfluss eigenverantwortlich regeln. Harald Fickert macht es vor.

MIT VEREINTEN KRÄFTEN ZUR MEISTERSCHAFT
Mit der neuen Motorenproduktion und dem modernisierten Presswerk läuft es wieder in der Pfalz. Die Mannschaft hat zusammen gestanden und mit vereinten Kräften für die Modernisierung des Standortes gearbeitet. Im Leben läuft es eben wie im Fußball, bekanntlich eine der beiden anderen Säulen, auf denen die Stadt Kaiserslautern steht. 1996 ist der 1. FC Kaiserslautern in die Zweite Liga abgestiegen, zum ersten Mal in seiner ruhmreichen Geschichte. Doch schon ein Jahr später steigt der Klub wieder auf – und marschiert auf direktem Weg zu seiner vierten Deutschen Meisterschaft durch. Als Aufsteiger zum Meister, das hat es noch nie gegeben. Dabei hat sich doch nur die Geschichte wiederholt, die sie in der Pfalz so lieben: Sie hatten nicht die besten Spieler, schon gar nicht die teuersten, aber sie waren die Mannschaft mit dem besten Teamgeist.

Und wieder hatte einer der frischgebackenen Meisterkicker ein paar Monate zuvor das Opel-Werk besucht: Marco Reich nahm einen Opel Corsa in Empfang.

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Lautern liebt Fußball: Auch am Standort werden immer wieder interne Turniere ausgetragen – und das Einlagespiel „Geschäftsleitung gegen Betriebsrat“ – hier eine Aufnahme von 1998 – hat Kultcharakter.

 


Auf Hundehatz im K2

von Kurt Burkhard


Kurt Burkhard arbeitete im Werkschutz des Standorts Kaiserslautern. Eine Aufgabe, die manchmal ungeahnte Qualitäten forderte, wie diese Episode zeigt.

Als Werkschützer werden wir ja auf viele mögliche Notfälle vorbereitet. Hunde jagen und fangen zählte allerdings nicht zu unseren Aus- und Weiterbildungsprogrammen. Glücklicherweise bin ich privat stolzer Besitzer eines Rauhaardackels. Eine Erfahrung, die eines Tages sehr hilfreich war.

Ich hatte Dienst am Portal 1, als eine Dame mit Hund vorbeikam. Sie wollte eine Bekannte besuchen, die in einem unserer Betriebsrestaurants arbeitete. Ihren Hund, eine schwer einzuordnende Promenadenmischung, band sie kurzerhand in der Nähe des Fußgängerportals fest. Zu nah, wie ich fand. Als kurz darauf Schichtwechsel war und viele Werksangehörige zum Parkplatz liefen, fühlten sich einige durch den Hund gestört. Also band ich ihn los, um ihn ein wenig weiter weg anzuleinen – doch dabei  entwischte er mir.

Er rannte in Richtung K16, ich hinterher. Doch ich musste schnell erkennen, dass er schneller war als ich. Also ging ich zum Portal zurück. Offenbar hatte der Mischling aber Sportsgeist. Kurze Zeit später stand er wieder bei mir am Werkstor, als wolle er mich erneut zu einem Rennen auffordern.

Anscheinend hatte er den Standort durchs Portal 3 verlassen und war über die Umgehungsstraße an seinen Ausgangspunkt zurückgelaufen.

Ich nahm die Herausforderung an – und die Jagd begann erneut. Diesmal huschte das Tier über den Eingang ins Verwaltungsgebäude, fegte übers Treppenhaus in den zweiten Stock, dann in den ersten. Unsere Hatz über die Flure stieß auf großes Zuschauerinteresse. Viele Bürotüren öffneten sich, liebe Kollegen schauten heraus und gaben mir kluge Ratschläge.

Vor dem Büro des Werkdirektors bekam ich den Hund endlich zu fassen. Er biss allerdings um sich. Ich schaffte es gerade noch rechtzeitig, ihn in die Poststelle zu bringen und dort einzusperren, bis ich seine Leine geholt hatte. Anschließend  brachte ich das Tier zum Portal zurück und besänftigte ihn, indem ich ihm ein paar Leckerbissen reichte. Bis sein Frauchen wieder eintraf, waren wir richtig gute Freunde.

Die Dame bedankte sich, verabschiedete sich – und erfuhr nichts von dem Malheur. Am Abend wird sie sich vielleicht etwas gewundert haben, weshalb ihr Liebling so abgekämpft war. Aber, ehrlich gesagt: Das war ich auch.

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